Montag, 2. Oktober 2012 - "Haltet den Dieb!"

Der morgendliche Ablauf hatte seine Routine gefunden und kurz vor 8 Uhr waren wir startklar. Der erste Weg führte wie üblich zur Tankstelle, das Thermometer zeigte frische 38°F. Aber der Himmel war strahlend blau. Auf eine Neubefüllung der Kühlbox verzichtete ich.


Um 8.30 Uhr waren wir in St. Elmo, einer kleinen in der Sawatch Range gelegene Ghost Town. Gleich am Anfang, in der Nähe des Parkplatzes, gibt es eine Futterstelle. Mit Holzbrettern ist ein stufenähnliches Gebilde am Hang angebracht und dort lagen Tausende ausgeknabberte Sonnenblumenkerne rum.

Auch den blauen Diademhähern schmeckte es, denn erst war nur einer da, dann kamen noch zwei Familienmitglieder. Wir beobachteten das lustige Treiben eine ganze Weile

Das eine Hörnchen mampfte so selbstvergessen an seinem Körnchen rum, dem konnte ich sogar mit dem Finger sacht über den Rücken streicheln.

Ich konnte mich von dem drolligen Gehopse kaum lösen und Gerd musste mich fast unter Androhung von Gewalt dort wegschleifen.

Dann schlenderten wir die Main Street entlang, um die hübschen alten Häuschen zu fotografieren.

Hier war es noch kühl, denn die Sonne stand noch nicht hoch genug und es gab einige schattige Plätze. Das Autothermometer hatte vorhin auch nur was von 32°F erzählt, da fror einem ja fast der Finger am Auslöser fest.

Nach einer knappen Stunde Aufenthalt in St. Elmo machten wir uns dann auf den Rückweg. Aber wegen der herrlichen Herbstfärbung fraß dies einiges an Zeit, denn wir mussten immer wieder mal anhalten, um ein paar Fotos zu machen.

Die Fleecejacke landete auf dem Rücksitz, mittlerweile war es angenehmer geworden.

Wir erreichten den Hwy 50, der entlang des Flusslaufes des Arkansas Rivers verläuft und folgten diesem Meile um Meile.

Auch hier mussten wir immer wieder mal rechts ranfahren und stoppen. Es boten sich einfach so schöne Motive entlang dieser idyllischen Flusslandschaft mit schönen Schleifen und dekorativen Felsen.

Ärgerlich war nur, dass es an den allerschönsten Stellen kaum eine Möglichkeit zum Halten gab.

Um 12 Uhr fuhren wir durch Canon City durch. Es war deutlich wärmer, das Quecksilber war auf 80°F geklettert.

Eine halbe Stunde später nahmen wir dann die Gravelpiste der Phantom Canyon Road unter die Reifen.

Gleich am Anfang stoppten wir, verspeisten unsere Äpfel und Bananen und ich entledigte mich nun auch meines Jeanshemds. Shirt und Baumwollbluse waren vollkommen ausreichend und die Turnschuhe wurden gegen die Sandalen getauscht.

Vor der Weiterfahrt steckte ich den Sicherheitsgurt ins Schloss, ohne dass ich angeschnallt war. Dies mache ich auf Gravelroads, bei denen ich langsam fahre, öfters, denn das ständige An- und Abschnallen bei unzähligen Fotostopps nervt einfach nur. Und ich hatte den Eindruck, dass die Phantom Canyon Road eine dieser Strecken sein würde.

Ganz so war es aber nicht, denn aufgrund der Enge gibt es keine weitläufigen Panoramen, dafür sind die Canyonwände ringsherum viel zu eng. Hier dominiert das Gesamtbild, welches man bei der Fahrt hat.

Die wild zerklüfteten Felsen, die Bäume, die gelben Espen - die Phantom Canyon Road schlängelt sich wirklich schön durch die Landschaft. Teilweise war die Straße etwas eng und direkt am Abgrund, da bibberte ich mal wieder vor Gegenverkehr. Aber ich hatte Glück und wurde verschont.

Gegen Ende, kurz bevor man Victor erreicht, führt sie über eine Art Hochplateau mit Weiden. Hier traten wir dann wieder etwas mehr auf das Gaspedal und ich legte den Sicherheitsgurt wieder vorschriftsmäßig an.

Gegen 14.30 Uhr erreichten wir Victor und schlenderten dort ein wenig umher.

Die Geschäfte, Bars, Restaurants etc. der einst sehr sehenswerten Main Street wirken verwaist. Aber überall wurde gebaut, gehämmert und gepinselt, sodass man das Gefühl hat, der Ort kämpft noch. Nur was wird am Ende daraus werden? Für was? Wenn man sich umschaut, wirkt alles so verlassen. Was soll die Leute hierher locken?

Wir kurvten noch etwas durch das Minengelände oberhalb des Ortes, an die interessanten Anlagen kam man aber leider nicht ran.

Nun ging es weiter nach Cripple Creek, welches gerademal 10 Minuten entfernt ist. Wir parkten unterhalb der Bennett Ave. Diese ist die Casino-Street von Cripple Creek, denn - aus was für Gründen auch immer - der kleine Ort hat eine Glücksspiel-Lizenz. Wir stürmten auch gleich ins erste Casino rein, nicht um zu spielen, sondern um den Restroom zu besuchen. Und ich nutzte die Gelegenheit, zwei Traveller Checks zu wechseln bzw. zu Bargeld zu machen. Die Akzeptanz war in den letzten Jahren zurückgegangen und Eintausch oder Bezahlung damit war oft nicht mehr ohne Rückfragen etc. möglich.

Als wir draußen wieder den Gehweg betraten, lief sehr dicht an uns ein Mann vorbei. Plötzlich blieb Gerd abrupt stehen und klopfte hektisch seine Hosentaschen ab. Er rief "meine Brieftasche ist weg" Aufgeregt schaute er sich um und überlegte, ob der Mann ihn angerempelt hatte. Aber der war schon in irgendeiner Tür eines Shops oder Casinos verschwunden. Noch einmal suchte Gerd seine ganzen Taschen ab. Ohne Erfolg. Hatte er sie im Casino verloren Hatte er sie wirklich mitgenommen (Während dem Autofahren deponiert er sie immer in dem Fach der Mittelkonsole.) Im Stechschritt ging's zurück zum Auto. Und - Entwarnung!!! Er hatte vergessen, sie einzustecken. Ufff, das war ein Schreck gewesen.

Wir liefen nochmal zurück zur Bennett Ave. und schlenderten dort ein wenig umher. Aber irgendwie konnte ich dem Ort so gar nix abgewinnen.

Die Casinos und Shops waren zu quietschebunt und nichts wirkte authentisch. Überall Werbung, zu touristisch, überall parkende Autos... das ist nicht mein Ding. So fiel unser Besuch dort recht kurz aus und wir fuhren um 16 Uhr weiter.

Aufgrund unserer Planänderung waren wir ja mit unseren Vorhaben etwas im Verzug und hatten deshalb darüber gesprochen, dass, wenn Cripple Creek heute nicht mehr reingepasst hätte, wir morgen früh extra hierher gefahren wären. Zum Glück ist das nicht eingetreten, ich hätte mich sooooo geärgert! Diesen Stopp mit in den Tag einzubauen, war ok, aber extra hinfahren, dafür war der Ort nicht mein Fall.

Kurz nach dem Ort stoppten wir noch an einem höher gelegenen View Point - natürlich hatten wir da totales Gegenlicht.

Wir fuhren weiter, Gerd vorneweg. Plötzlich gaben uns die entgegen kommenden Autos Lichthupe. Hilfe, was war los???

Ein Sheriff am Straßenrand würde keinen Sinn machen, es war kurvig, da konnte man eh kaum zu schnell fahren. Kurz danach kam des Rätsels Lösung: Eine Herde Bighorn Sheeps war auf die Straße gekommen und tippelte nun am Rand lang. Gerd fuhr noch langsam vorbei, dann entschloss sich die Herde auf der Straße zu laufen und so war ich kurz darauf umzingelt.
Ich war ganz fasziniert und dachte nicht einen Moment daran, den Fotoapparat zu nehmen. Es wäre schade um jede Sekunde gewesen, in der ich die Augen abgewendet hätte, um nach dem Foto zu kramen. Es gibt Momente, die muss man einfach so genießen.

Über den Hwy 24 fuhren wir Richtung Colorado Springs und bogen dort gegen 17.30 Uhr auf den I25 ab. Was für ein Schock! Nach den Tagen in ländlichen Gebieten mit wenig Betrieb traf mich nun das Verkehrsaufkommen wie eine Keule. Rush hour vom Feinsten...

Wir hatten uns im Howard Johnson Zimmer reserviert, aber schlecht vorbereitet, wie ich bei dieser Tour zugegebenermaßen war, wusste ich nicht, welche Abfahrt wir nehmen müssen Und nun hatte ich Sorge, Gerd im Gewühl auf dem Interstate aus den Augen zu verlieren. Ich musste also eng auffahren. Das mag ich gar nicht, aber sonst würden sich andere dazwischendrängeln. Und natürlich geschah genau dies ... Im Gewusel wäre ich dann fast einem falschen Auto hinterher gefahren...
Zum Glück sah ich im letzten Moment, dass Gerd auf die Ausfahrt vom Interstate fuhr und zog noch schnell rüber.
Ich war richtig geschafft, als wir im Motel ankamen. Das Zimmer war zwar etwas älter möbliert, aber sauber und absolut ok.

Wir fuhren noch zum Walmart. Ich brauchte dringend eine Gesichtscreme, denn dummerweise hatte ich nur eine leichte Emulsion eingepackt. Die reichte aber nicht aus, mein Gesicht war so trocken und brannte. Zum Abendessen gingen wir ins Applebee's. Ich bestellte ein Steak, aber das war nicht so der Bringer, ziemlich durchwachsen. Mit Steaks hatte ich dieses Jahr überhaupt kein Glück, an allen hatte ich bisher was auszusetzen.

Im Motel folgte das übliche Programm. Als ich noch bissl im Forum surfen wollte, stellte ich fest, dass die Wlan-Verbindung total grottig war, also tippelte ich zur Rezeption. Das junge Mädel dort hämmerte wie wild auf ihrem Smartphone rum und fühlte sich sichtlich durch mich gestört. Ihre Hilfsbereitschaft war in etwa so leidenschaftlich wie ein Eskimohintern auf einer Eisscholle. Schließlich bequemte sie sich aber dazu, ein Router-Reset zu machen und zurück im Zimmer war die Verbindung dann ganz angenehm. Um 23.45 Uhr begann ich den Matratzenhorchdienst.

Die Karte wurde mit TopoUSA von www.delorme.com erstellt.

Gefahrene Meilen: 220

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