Donnerstag, 4. Oktober 2012 - "Get lost"

Während der Guten-Morgen-Zigarette bibberte ich so vor mich hin, es war arschkalt geworden. Um 7 Uhr traf ich mich mit Gerd zum Frühstück, heute gab es eine halbe Waffel und einen Toast mit Cream Cheese. Dann fix zur Tanke und um kurz nach 8 Uhr starteten wir.

Das Thermometer im Auto erzählte was von 37°F und über den Bergen hing auch eine dicke Wolkendenke, die sich langsam über Colorado Springs ausbreitete. Die angekündigte Kältewelle war also doch schon letzte Nacht nach Colorado reingerollt.

Aber gegen die Heizung im Auto konnte man nix sagen, die funktionierte super

Heute stresste mich das Fahren auf dem I 25 gar nicht, denn Gerd hatte mir aufgeschrieben, welchen Exit wir nehmen. Der kam erst in 99 Meilen und da würden wir genug Zeit haben, uns wiederzufinden, falls wir uns aus den Augen verlieren.

Also wenn man hier in Colorado unterwegs ist und die Berge nicht sieht, man könnte denken, man ist in Texas. Um mich herum war überall flaches weites Weideland.

Kurz nach halb 11 verließen wir den I 25 bei Walsenburg. Hier war die Wolkendecke nicht mehr so dicht, es gab nur ein paar Schleierwolken und viel Dunst. Aber es war mit 45°F noch immer bitterkalt.

Ich wusste gar nicht, wie ich "Landschaft" hier unten so beurteilen sollte. Es waren Hügel, keine grauen Berge. Die Hügel sahen schön bunt aus mit ihren ganzen herbstlich gefärbten Sträuchern und Büschen. So hatte ich mir Colorado gar nicht vorgestellt.

Die 16 Meilen bis zum Great Sand Dunes National Park erinnerten mich irgendwie stark an die Südzufahrt zum Death Valley. Eine schnurgerade Straße, rechts Hügel, links alles flach mit Grasbüscheln. Und alles lag total im Dunst.

Das Thermometer zeigte jetzt 66°F und vorsichtig streckte ich mal das Händchen aus dem Fenster. Jetzt war es wieder erträglich.

Gegen 11 Uhr erreichten wir dann den Great Sand Dunes National Park. Nach einer kurzen Pause im Visitor Center fuhren wir bis zum "Point of no Return" und stapften dann querfeldein Richtung der Dünen. Das hätten wir aber bleiben lassen können, denn die Aussicht haute uns nicht um

Wir fuhren also zurück zur Picknick Area und schlugen uns dort seitwärts ins Gebüsch. Ich wollte ein paar Fotos mit netten Pflänzchen, denn nur geradeaus auf die Dünen zu halten, das mag ich nicht. Aber wir wurden fündig und entdeckten ein paar nette Spots mit reichlich Deko.

Lange hielten wir uns nicht im Park auf. Ich gehöre nicht so zur Fangemeinde von Sandkästen und so verließen wir den Park dann gegen 12.30 Uhr auch schon wieder.

Die Straße, die wir dann fuhren, war mal wieder eine gefühlte Titty Twister Straße
Meilenlang schnurgeradeaus, rechts und links gar nix, ab und zu ein paar verlassene Häuser. Der Wind wurde noch heftiger und trieb Staubwolken, Buschgerippe / Gestrüppkullern über die Straße. Der Himmel war ganz schmutzig grau-gelb vor lauter Staub. Eine Straße wie aus Gruselfilmen. Dazu das komische Licht durch den Dunst.
Alles furchtbar trostlos.
Eine Stimmung wie in Filmen, kurz bevor dem blonden Dummchen mit dem großen Busen irgendwas ganz Schreckliches passiert.

Unser nächstes Ziel war eine Ecke, die auch für Gerd Neuland war. Der Penitente Canyon im San Luis Valley.
Je näher wir diesem kamen, desto freundlicher wurde die Landschaft. Es ging wieder in die Berge, der Himmel war klarer, wenn auch mit Wolken.

Kurz vor 14 Uhr waren wir am Parkplatz. Eine Info-Tafel informierte uns über diverse Trails und wir entschieden uns für den Penitente Canyon Loop.

Der Anfang des Canyons war ganz nett - wenn auch nicht spektakulär. Der Weg führt an schönen Felsen entlang

Später wurde er zum Trampelpfad und im weiteren Verlauf enger und man musste bissl kraxeln. Hier begann ich dann vor mich hin zu maulen...

Man erreichte eine Art Hochplateau.

Dort pfiff ein garstiger Wind und ich hatte definitiv keine Lust mehr und murrte weiter vor mich hin... hier würde ich mir noch einen Schnupfen im Endstadium einfangen...

Und hier passierte es dann: Wir verloren den Trail, merkten es natürlich aber nicht gleich. Mit dem Wissen "wir müssen wieder runter" orientierten wir uns an einem "Trail", der bergab führte.
Es wurde immer enger und steiler. Und unwegsamer... Es gab ein paar Absätze, da ließ ich mich runterrutschen oder hopste. Im Hinterkopf formte sich der Gedanke "da kommste nie wieder hoch"...
Gerd war ein paar Meter vor mir und drehte sich dann plötzlich um. Wir standen vor dem Aus : Vor uns eine ca. 4 Meter tiefe Schlucht Hier ging es nicht weiter Wie zurück? An manchen Stellen würde ich nicht mehr hoch kommen. Das würde mir eine Lehre sein: Niemals wieder irgendwo runter, wenn nicht sicher weiß, dass ich wieder hoch komme.
Wir liefen ein Stück zurück und Gerd fand dann seitlich eine Stelle, an der wir wieder nach oben kamen. Aber immer begleitete mich die Angst, erneut vor einem unüberwindlichen Hindernis zu stehen. Auf dem GPS Gerät konnten wir erkennen, dass in der Nähe ein Trail sein muss. Nach einigem "querfeldein" stießen wir dann auf diesen, wären aber zuvor fast nochmal falsch abgebogen.

Zum Fotografieren hatte ich schon länger keine Lust mehr und jetzt stürmte ich regelrecht auf den Parkplatz zu.

Um 15.30 Uhr waren wir wieder bei den Autos. Ich vernichtete erstmal ein kühles Gatorade und wollte dann eine rauchen. Da merkte ich, dass ich mein Feuerzeug verloren hatte. Mann war ich sauer. Ich durchwühlte meine komplette Tasche, dann schmiss ich alles aus der Tasche raus... Erst dieser Sch. Trail, dann auch noch das. Ich fühlte mich wie kurz vor der Kernschmelze... Der arme Gerd, der sich mitten im Epizentrum meines Wutausbruchs befand, hatte zum Glück ein Feuerzeug griffbereit und ich konnte mich wieder beruhigen...


Es war nie so, dass ich Angst gehabt hätte, aus dem ganzen Gebiet nicht rauszukommen. So riesig ist die Ecke nicht und wir waren auch nicht so weit weg vom Parkplatz. Bissl Orientierung hab ich auch und wir hatten ja das GPS dabei und vorher auch den Wegpunkt vom Parkplatz genommen.
Ich ärgerte mich über meinen eigenen Leichtsinn, dass ich an Stellen runter bin, obwohl mir klar war, dass ich da nicht mehr hochkomme.
Die Vernunft hatte in meinem Kopf immer wieder mal einen schweren Stand und ich wusste das irgendwie schon...
Als der Weg unwegsamer wurde, hätten wir umdrehen sollen.

Zudem machte mir die Höhe zu schaffen, die Kraxelei beim Suchen vom richtigen Weg hatte mich geschlaucht und das Wissen, dass wir vom Trail abgekommen waren, machte mich hektisch. Das zerrte an meinen Nerven, noch dazu, wo ich bei der Verteilung der Geduld vergessen hatte, "hier" zu rufen...

Wir fuhren nun nach Süden, trafen dort auf den Hwy160 und erreichten gegen 17 Uhr South Fork. Hier hatten wir Zimmer in der Wolf Creek Ski Lodge reserviert. Das Motel war zwar deutlich in die Jahre gekommen, lediglich die Armaturen im Bad und Waschbecken waren ganz neu, die restliche Ausstattung war "einfachst". Aber es war alles sauber und irgendwie wirkte es auch gemütlich. Und nach dem lauten und hektischen Colorado Springs war die himmlische Ruhe hier einfach wohltuend.

Zum Abendessen fuhren wir ins Silver Fork Restaurant. Nach Aussage der Motel-Besitzerin ist es das beste Restaurant im Ort. Preislich mag das stimmen, das Essen konnte mich aber nicht überzeugen. Mein Steak war ziemlich sehnig und das Rumgeschneide auf dem Teller ließ mich eher an einen chirurgischen Eingriff als an ein nettes Abendessen denken. Die Folienkartoffel war trotz Sour Cream irgendwie trocken, der Blumenkohl verkocht und der Salat wirkte etwas welk...

Um 18.30 Uhr waren wir zurück am Motel und tranken vor dem Zimmer erstmal gemütlich ein Bier. Der blöde Wind hatte zum Glück nachgelassen. Zum abendlichen Programm kam heute noch "Postkarten schreiben" dazu. Auch im Zeitalter von Mails, Handyfotos, Apps etc. halte ich an dieser schönen Tradition fest und schreibe jedes Jahr Postkarten an die Familie und liebe Freunde
Als ich später mal zum Rauchen nach draußen ging, war der Wind dann ganz weg. Gegen 22.30 Uhr lag ich im Bett und schmökerte noch ein Weilchen.

Die Karte wurde mit TopoUSA von www.delorme.com erstellt.

Gefahrene Meilen: 274

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