Sonntag, 2. Juni 2013: "Houston, ich habe ein Problem"

Man entwickelt ja von Reise zu Reise immer mehr Routine, daher lief daheim alles so ab, wie auch sonst zum Start meiner Tour. Nur heute alles eine Stunde früher, denn dieses Jahr flog ich nicht mit Delta, denn United hatte den günstigeren Preis und startete eine Stunde früher. Daher klingelte der Wecker um 4.30 Uhr und Andy holte mich um 6 Uhr ab. Karlie verpasste meine Abfahrt, da war ich ganz froh drüber, trotzdem kullerten im Auto noch schnell ein paar Tränchen.

Kurz vor halb sieben kamen wir am Flughafen an und ich musste mich erstmal orientieren. Die Delta Schalter finde ich im Schlaf, wo United untergebracht ist, musste ich erstmal rausfinden. Gar nicht so einfach, denn draußen war es sehr kühl und windig und mir tränten die Augen. Zum Glück hatte Andy den klaren Durchblick und entdeckte die United Schalter. Da war ich dann gleich erstmal den großen Trolley los. Noch schnell eine Latte Macchiato und ein paar Zigaretten, dann ging ich zum Security Check. Die Jungs waren heute früh wohl alle noch sehr motiviert und ich durfte den Inhalt meiner Handtasche, die die Dimensionen eines Kleinstaats hat, in die Behälter für den Durchleuchtungsapparat verteilen.

Der Start erfolgte pünktlich um 9.30 Uhr. Das Flugzeug war kleiner als die von Delta eingesetzten und die Bestuhlung bestand aus 3 Plätze - Mittelgang - 3 Plätze. Wie immer hatte ich mir einen Gangplatz reserviert, den Fensterplatz hatte eine nach Kanada ausgewanderte Deutsche und der Mittelplatz blieb zu unserer großen Freude frei. So ging eigentlich alles ganz gut los.
Eigentlich

Das "Pling", als wir die Flughöhe erreicht hatten, wirkte bei mir wie Pawlows Glocke und kurz darauf kam auch eine Stewardess mit dem Getränkewägelchen angeruckelt, so dass ich meine obligatorische Bloody Mary ordern konnte.
Zum Essen gab es - Überraschung - "Chicken, Beef or Vegetarian". Ich mag das Essen im Flugzeug ja ganz gerne - bedeutet es doch Abwechslung und ist gleichzeitig eine Art Meilenstein. Da weiß man, dass man nun so seit ca. 1,5 h unterwegs ist.
Das Chicken war ganz ok, aber der Erfinder der seltsamen fabrikmäßig hergestellten Reisbeilage hatte wohl einen tief sitzenden Groll auf die ganze Menschheit. Einmal im Mund, fing es an zu quellen und wurde immer mehr
Dann wartete ich auf den Duty-Free-Wagen, der kam und kam aber nicht. Also tippelte ich mal nach vorne und erkundigte mich. Ha, da hätte ich warten können, bis ich schwarz bin, die kommen nicht mit Duty-Free durch. Wenn man was will, dann muss man sich melden. Ok, dann hatte ich ja alles richtig gemacht.

Beim Landanflug auf Newark war ich total baff, wie nah man die Skyline von New York sieht. Sogar die Freiheitsstatue konnte ich gut erkennen. Zwar dunstig, aber trotzdem erkennbar. War schon irgendwie alles bissl aufregend, New York so zum Greifen nahe. Aber mich schreckte diese Skyline gleichzeitig regelrecht ab. Es wäre für mich Horror pur, wenn ich nun in diese Mega-Metropole müsste.

Die Landung in Newark war pünktlich, an die Immigration kann ich mich gar nicht mehr genau erinnern, war daher also weder extrem langsam, noch extrem schnell - unauffällig halt. Mein Trolley kam auch gleich auf dem Gepäckband angerollert. So, da hatte ich nun viel Zeit zum Totschlagen, denn mein Anschlussflug würde erst in ca. 6 Stunden erfolgen. (Bei meiner Flugbuchung war die Umsteigezeit mit 3 Stunden angegeben, aber es gab nachträgliche Flugplanänderungen und ich wollte keinen weiteren Zwischenstopp. Hätte ich damals nur schon gewusst, was ich nachher noch erfahren sollte...)

Ich suchte also erstmal eine Raucherecke und fand diese draußen vor der Tür Puhhhh, war das unangenehm schwül da draußen. Hier traf ich dann meine Platznachbarin Silvia wieder und ein paar Minuten später gesellte sich Thorsten, ein weiterer Passagier unserer Maschine, hinzu, der auch eine längere Wartezeit zu überbrücken hatte. Wir drei quasselten, holten uns bei Starbucks einen Kaffee, gingen noch mal eine rauchen... Silvia verließ uns dann, sie wusste, dass Ihr Flug gecancelt war und kümmerte sich nun um ein Hotel.

Thorsten und ich rauchten noch ein paar Zigaretten, checkten mehrfach an den Anzeigetafeln die Flugzeiten und Gates unserer Anschlussflüge, passierten dann die Security und suchten uns ein Lokal, in dem wir noch gemütlich ein Bier tranken.
Eine halbe Stunde vor dem Boarding tingelte ich in seliger Ahnungslosigkeit noch mal zu meinem Gate, um zu schauen, ob sich da auch nix geändert hat.
Damit war ich gut beraten, denn mein Flug war noch gar nicht angeschrieben. Das erschien mir seltsam und ich fragte die Angestellte, die dort tratschend rumstand. Als ich die Antwort vernahm, starrte ich sie nur noch an, als ob sie gerade erklärt hätte, dass sie Al Qaida beitritt:

Mein Flug war gecancelt

Aufgrund einer aufziehenden Gewitterfront würden gerade fast alle Flüge gestrichen.

Oh mein Gott... schon oft hatte ich von solchen Situationen gelesen, aber die passieren doch immer anderen. Aber heute war ich an der Reihe. Der große Hohlraum zwischen meinen Ohren begann sich zunehmend mit Fragezeichen zu füllen und ich hechtete schräg rüber zu einem Customer Service Point.

Zum Glück hatte sich von der großangelegten Cancel-Aktion bis zu dem Moment noch nicht viel rumgesprochen, denn am Schalter war nur wenig los und ich musste nur ein paar Minuten warten. Dem Angestellten, an den ich geriet oder besser gesagt, der an mich geriet, zolle ich noch heute innerlich Abbitte. Denn ganz egal, was er mir vorschlug - nichts war für mich akzeptabel
Die nächsten drei Direktflüge nach Phoenix am nächsten Tag waren ausgebucht. Ich könnte die stand by Option nehmen, jedoch hatte ich dann ja keine Garantie, dass noch jemand abspringt. Die erste Direktmöglichkeit wäre quasi mein Flug, jedoch 24 h später. Dies war für mich total inakzeptabel, denn dann würde ich ja einen kompletten Urlaubstag verlieren.
Er tippte in seinem Computer rum, bot mir alle möglichen Verbindungen an, über San Francisco, über LA... immer würde ich morgen erst am späten Nachmittag in Phoenix ankommen. Mit einer Übernachtung in Newark wäre ich ja noch einverstanden gewesen, aber dann nicht erst fast rüber bis China fliegen, um dann wieder in die entgegengesetzte Richtung retour nach Phoenix! Von Angebot zu Angebot hatten meine Augenverdreher immer mehr olympische Qualitäten

Mittlerweile erschallten immer wieder die Durchsagen über Flugausfälle und durch den Ansturm auf den Customer Service hatte sich eine entsprechend lange Schlange gebildet. Die Blicke der Wartenden piekten in meinen Rücken wie ein anklagender Zeigefinger. Vor allem von denjenigen, die mit anhören mussten, wie ich jeden Vorschlag des armen Angestellten abschmetterte.

Ok, er würde probieren, ob er andere Lösungen findet, aber dafür muss er ein paar Telefonate führen. Das war mir so was von egal, ob oder mit wem er telefonieren muss! Meinetwegen kann er Telefonsex mit Prinz Charles machen, Hauptsache ich bekomme eine Flugverbindung, die mir so wenig Urlaubszeit wie möglich kaputt macht.

Dann fand er eine Verbindung: noch heute Abend um 20 Uhr nach Houston, dort dann in ein Hotel und morgen früh um 9 Uhr weiter nach Phoenix. Ankunftszeit 10 Uhr (aufgrund der Zeitverschiebung). Bei dieser Kombi würde ich nur wenige Stunden verlieren und ich entschloss mich zu dieser Variante. Houston war die Lösung meines Problems! Während er alles ausdruckte, rief ich vom Service Telefon aus das Best Western an, für das ich heute eine Übernachtung reserviert hatte. Meine Reservierung wurde problemlos und kostenfrei storniert.

Ausgestattet mit neuen Boardkarten und Zettelchen und Bestätigungen für eine Übernachtung machte ich mich auf die Wanderung zum Abflug Gate. Ich brauche eigentlich nicht extra erwähnen, dass dieses am komplett anderen Ende des Terminals war...
Dort angekommen musste ich erfahren, dass die Abflugzeit auf 22 Uhr verschoben war. Jetzt hatte ich die Schnauze gestrichen voll und musste erstmal eine rauchen gehen. Genug Zeit hatte ich ja, um wieder durch die Security zu latschen... Ich hätte am liebsten losgeheult. Also raus und Beruhigungszigarette rauchen. Dann tippelte ich wieder rein und schlug die Zeit irgendwie tot, bis es dann endlich weiterging.
Um mich herum war jeder am Telefonieren, mich machte das so langsam aggressiv.... Bei der Geräuschkulisse kann man ja nicht mal richtig in Selbstmitleid versinken und im eigenen Elend baden...

Um 22.10 Uhr begann endlich das Boarding und ca. 20 Min. später hob der Flieger dann ab. Man hatte mir einen Fensterplatz in der Economy Plus gegeben und die zusätzliche Beinfreiheit hatte was. Wenn man mir dort noch ein Höckerchen zum Beine hochlegen hingestellt hätte, wäre es für mich durchaus als Business durchgegangen. Ich orderte mir zwei kleine Flaschen Rotwein, die ich in Rekordzeit vernichtete.

Mittlerweile war ich richtig groggy, ich war nun schon seit 24 Stunden auf den Beinen. Eigentlich hätte ich längst im Motel in Phoenix sein sollen, mit einer kühlen Dusche und bequemem Bett. Statt dessen sank mein Kopf an das Fenster und ich schlief ein.