Mittwoch, 26. September 2012 - "Nightmare on Main Street"

Um 5.20 Uhr war die Nacht vorbei. Ich ließ einen Kaffee durch die Maschine laufen, machte mich und meinen Krempel schon mal fertig und war dann kurz vor 6 Uhr beim Frühstück. Ich hatte mir schon gedacht, dass um diese Zeit nicht so viel los war und Debby daher bestimmt etwas mit mir plauschen würde. So war es dann auch.

Anschließend druckte ich mir noch die Beschreibung für eine Location aus, die ich heute evtl. als Auflockerung in den Fahrtag einbauen wollte, belud Dollarchen und machte mich auf den Weg zur Tanke. Dort tanken und Eis in der Kühlbox auffüllen und es konnte losgehen. Aber durch den gemütlichen Plausch war es nun auch schon 8 Uhr, als ich losfuhr.

Mein Auto sah heute innen endlich wieder so aus, wie es auszusehen hat: Auf dem Rücksitz lag diverses Zeug rum, die Turnschuhe hinten im Fußraum, die Kleenex-Box auf dem Beifahrersitz - endlich war alles nicht mehr so "ordentlich". Gestern war das alles so unbenutzt, aber nun hatte ich mich im Auto häuslich niedergelassen

Wie jedes Mal war es wieder eindrucksvoll, wenn man auf die Virgin River Gorge zufährt, durch welche sich die Straße dann nach oben auf das Colorado Plateau schraubt. Es ist schon faszinierend, wenn man ab und zu einen Blick auf diesen kleinen, gemächlich dahin fließenden Bach, diese fließende Pfütze, werfen kann und sich dann vorstellt, dass dieser so eine Schlucht gegraben hat.

Aber die dämlichen roten Road Work Schilder k#§$%&!!!en mich an! Mir ist es in den vergangenen Tagen schon ein paarmal aufgefallen und hier war es auch wieder so: Road Work, strictly enforced... und alles ganz wichtig, Fine verdoppelt und verdreifacht bei Speeding und überhaupt und dann... nix. Keine Arbeiter, keine Baumaschinen - nix. Nur die Schilder standen blöd in der Gegend rum und man wartet auf das reduced speed Schild.

Genauso wie die Schilder Speed Limit 55 und dann vor Kurven die gelben Richtschilder 55 - na was denn nu? Wenn ich eh max. 55 fahren darf, wieso braucht man dann vor den Kurven noch den Hinweis, dass die max. empfohlene Geschwindigkeit für die Kurve 55 ist ???
Sollen sie sich doch mal klar werden, was sie wollen!
Das regt mich jedes Mal wieder auf

Um 9.20 Uhr erreichte ich St. George. Hier war es aber 10.20 Uhr, denn mir wurde ja nun eine Stunde geklaut. Hier oben war es schon etwas frischer, das Thermometer zeigte nur noch 72°F an.

Und es waren ein paar Wolken da, die Sonne schien nicht mehr so hell. Für Vernal waren für heute sogar vereinzelte Gewitter vorhergesagt, aber das war mir bumms, ich hatte ja heute einen reinen Fahrtag von gerademal lächerlichen 500 Meilen...

Gegen 11 Uhr war ich wenige Meilen vor Cedar City. Hier konnte ich sehen, dass im Norden und Osten Wolken zwischen den Bergen hingen.

Ab der Kreuzung mit dem I70 änderte sich die Landschaft und präsentierte mir ein vollkommen neues Aussehen. Ein großer Talkessel voll mit gelblichen Grashalmen, wie eine riesige Steppenfläche.

Um 12.30 Uhr machte ich an einer Tankstelle in Fillmore eine kurze Pause und tankte das Auto gleich wieder voll.

Hier oben waren nun kaum noch PKWs unterwegs, nur noch Trucks. Klar, was will man auch hier ... Das Drumherum empfand ich als so interessant wie ein Buch über Taubenzüchtung...

Kurz vor Spanish Fork sah ich ein Blinke-Schild, welches irgendwas von "Hwy 6 Closed Ramp" erzählte Alles konnte ich im Eifer des Gefechts nicht sehen. Mist, das darf doch wohl nicht wahr sein...

War es aber!
Die Ramp/Überleitung, die vom I15 auf den Hwy 6 überleitet, war gesperrt. Ich also an der nächsten Abfahrt runter und juhuuu, eine Umleitungsausschilderung war da. Nur war ich entweder zu doof oder das Ding zu kompliziert... ich landete wieder auf dem I15 - nun in südlicher Richtung Wieder drehen und nochmal probieren? Boahhhh, neee, solche unübersichtlichen Knotenpunkte stressen mich total

Ich fuhr also die nächste Abfahrt runter und beschloss, mich so in Richtung vom Hwy 6 durchzuschlagen. Dollarchen hatte zum Glück eine Richtungsanzeige, die Straßen waren brav im Schachbrettmuster angeordnet und ich hatte mein Wander-GPS, auf welchem auch die Straßen von Spanish Fork drauf waren. Und so schlängelte ich mich durch diverse Wohngebiete, Randgebiete, Farmlandschaften etc., bis ich mehr oder weniger aus Zufall auf dem 6 landete. Das war sozusagen ein Mega-Dreherle geworden
Die 68°F Außentemperatur kamen mir vor Aufregung vor wie 100.

Nach nur wenigen Meilen auf dem 6 zeigten sich in den umliegenden Wäldern plötzlich die tollsten Herbstfarben. Davor ein kleiner malerischer Bach - und nirgends eine Haltemöglichkeit.

Dann tauchte ein Schild "Spanish Fork River Park" auf. Ich stieg in die Eisen, riss das Lenkrad rum und bog dorthin ab. Ca. 20 min schlenderte ich dort umher.

So würde der Tag nun doch nicht ganz bilderlos sein, denn da mich diese blöde Sperrung in Spanish Fork einiges an Zeit gekostet hatte, würde für die geplante Location keine Zeit mehr sein.

Vor mir sah der Himmel nun grauschwarz aus. Es schien, ich fuhr voll in eine Gewitterfront rein. Sah aber toll aus, ein toller Kontrast zu den bunten Bäumen. Das, was ich hier vom Ashley National Forest auf den ersten Meilen des Hwy 6 sah, gefiel mir ausgesprochen gut.

Kurz darauf war die Straße dann nass und vereinzelt fielen ein paar Tropfen auf die Frontscheibe. Und die Temperaturanzeige sank rapide. Nur noch 56°F. Das wird doch wohl kein Zeichen sein, ich würde mich mit Gerd treffen und es regnet. Irgendwie war es ein deja vue.

Wieder tauchte ein Waldstück auf, welches mit vielen herrlich gelben Bäumen durchsetzt war.

Nur leider schüttete es da gerade wie aus Kübeln. Aber vielleicht sollte ich froh darüber sein, sonst wäre ich vor lauter Herbstfarben und Fotos machen gar nicht vom Fleck gekommen.

Dann durchfährt man eine Art Hochebene mit sanften Hügeln. Düsteres Licht, alles im Regenschleier, tiefhängende Wolken und Nebel - ich kam mir vor wie in einer Moorlandschaft und fühlte mich sofort an alte Schwarz-Weiß-Grusel-Filme erinnert.

Bei schönem Wetter muss das eine herrliche Strecke sein, mit diesem kleinen Bächlein, welches neben der Straße entlangfließt.
Ich machte im Auto jedenfalls erstmal die Heizung an

Die Landschaft änderte sich wieder. Das Gefühl der Ebene schwand und die Berge rückten wieder näher. Die dicht bewaldeten Hänge stiegen neben der Straße an und ich kam mir in meine Kindheit zurückversetzt vor, als wir Ausflüge ins Riesengebirge gemacht haben. Es hätte mich nicht gewundert, wenn plötzlich Rübezahl hinter einem Baumstamm hervor gekommen wäre.

Ab Abzweig zum Hwy 191 schoss ich natürlich erstmal vorbei. Das ist ne ganz saublöde Ecke. Ich sah ihn zwar noch rechtzeitig, aber die Abbiegung war in so einem spitzen Winkel bzw. wie eine Haarnadelkurve, da war mir nicht gleich klar, wo ich langfahren muss. Also erstmal Dreherle gemacht. Von der anderen Seite aus war es dann ganz eindeutig.

Interessanterweise führt die Strecke nun gleich quasi durch das Arbeitsgelände einer Mine! Davon hatte ich noch nie was gehört oder gelesen. Das Teil war riesig und sehr eindrucksvoll.

Mittlerweile war es 16.15 Uhr. Vor mir lagen noch ungefähr 100 Meilen und so langsam hatte ich von der Fahrerei die Schnauze voll... Aber nun kam der Obergag - ein Oversize-Load- Auto kroch den Berg hoch und alle schlichen hinterher

Ach ja - und es fing wieder an zu regnen. Aber selbst bei dem Mistwetter sahen die bunten Bäume gut aus, ich hatte ja genug Zeit, sie zu bewundern, während wir dem Oversize-Load-Auto hinterher krochen.

Warum können die nicht mal kurz die Straße sperren und uns über die Gegenfahrbahn vorbei lassen? Mir ging durch den Kopf, bis Duchesne waren es noch 44 Meilen und wir krochen nun mit 20 mph voran, dann brauchen wir 2 Stunden!!! Die Situation war so verfahren - im wahrsten Sinne des Wortes. Da konnte man schon fast wieder drüber lachen.

Aber nach neun Meilen folgte die Erlösung. Als an einer Stelle eine Stichstraße abzweigte, wurden wir von der Highway Patrol vorbeigelotst.

Dann kam ein Turnout und ich hielt an, um ein paar Fotos von der Laubfärbung zu machen. Schließlich hatte ich genug Vorsprung.

Ein Polizeiauto stoppte und man fragte mich, was ich mache. Ich deute auf meinen Foto und die herrlichen Bäume. Aber er wollte mich nur warnen, dass ein Oversize Load kommt, nicht dass ich dem dann hinterherfahren muss. Danke für den Ratschlag...

Gegen 17.30 Uhr fuhr ich durch Duchesne hindurch und ca. eine Stunde später erreichte ich dann endlich Vernal. Ich fuhr die Main Street entlang und hielt nach dem Sage Motel Ausschau, welches ziemlich im Zentrum liegt. Auch hier war alles regennass und dicke graue Wolken hingen tief vom Himmel runter.

Ich sah das Motel rechtzeitig und bog auf dessen Parkplatz ab. Überall große Pfützen und Schlammhaufen. Ich hatte schon gelesen, dass das Motel während der Woche sehr stark von den Arbeitern der umliegenden Erdgasanlagen frequentiert wird und die hatten mit ihren Pickups den ganzen Matsch reingeschleppt. Vor jeder Motelzimmertür stand ein Stuhl und daneben ein Eimer mit Sand, in dem sich Kippen und was weiß ich für Abfall befand. Ein paar Männer hockten stumpf vor sich hinblickend draußen. War alles irgendwie gar keine nette Atmosphäre.

Ich checkte ein, erkundigte mich, ob Gerd schon da ist und man nannte mir seine Zimmernummer. Auf mein Anklopfen öffnete er mir und wir begrüßten uns. Ich merkte, dass er irgendwie verkrampft wirkte. Ich dachte, das lag am momentan schlechten Wetter...

Gerd drückte mir gleich die Stange Zigaretten in die Hand, die er auf dem Hinflug für mich gekauft hatte. Als ich mit dieser zu meinem Zimmer ging, schaute der eine oder andere Arbeiter plötzlich interessiert auf. Sehr vertrauenerweckend...

Und dann schloss ich die Tür von meinem Zimmer auf und trat ein.
Schock...
Die Einrichtung hatte auch schon bessere Zeiten erlebt, möglichweise während des Krimkriegs. Alles war kunterbunt zusammengewürfelt, nichts passte. Das wäre alles noch zu ertragen gewesen. Aber überall sah man Beschädigungen, bei denen man nicht von "normalen Alterserscheinungen" sprechen konnte. Diese Macken hatten die Sprache von Testosteron und zu viel Alkohol.

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Hier herrschte absolut keine Wohlfühlatmosphäre, im Gegenteil, das war ein Alptraum. Und ausgerechnet hier waren 4 Nächte geplant

Zum Abendessen liefen Gerd und ich das kurze Stück bis zum Quarry Steakhouse. Der Dinner Salad mit Ranchdressing und das Brötchen waren ok, mit meinem Steak und der Folienkartoffel war ich nicht so ganz zufrieden. Das Steak war mir zu durchwachsen und die Kartoffel viel zu trocken. Dazu teilten wir uns einen Pitcher Bier.

Von freudiger Urlaubsstimmung konnte nicht wirklich die Rede sein. Gerd und ich waren beide über den Zustand unserer Zimmer geschockt.
Ich begann mich richtig hinein zu steigern. (Darin bin ich sehr gut und an diesem Abend baute ich diese Fähigkeit weiter aus...) Mir grauste immer mehr vor dem Motel

Wieder zurück im Zimmer stellte ich fest, dass ich keine richtige Zudecke hatte, nur einen "Brokatüberwurf" aus 100 % Kunstfaser, mit dem ich mich bestimmt nicht zudecken würde. Sonst nur noch ein dünnes Laken, welches für die Region und Jahreszeit einfach zu kalt war.
Draußen regnete es schon wieder. Meine Depression erreichte neue Höhen - oder Tiefen... wie man es nennen möchte...

An der Rezeption schilderte ich mein Decken-Problem und erhielt dann eine Art Steppdecke. Den Bezug gab es extra dazu. Ich hatte also das Vergnügen, mein Bett selbst zu beziehen.

Meine Stimmung sank noch mehr und in Ermangelung eines Tisches stellte ich das Netbook auf den Nachttisch. Als ich noch was holen wollte und den Arm hob, stellte ich fest, dass alles klebrig war. Nun war ich wirklich kurz vorm hysterisch werden... Ich versprühte Unmengen von Sagrotan auf dem Nachttisch und meinen Arm und als ich der desinfizierenden Wirkung traute, schaute ich auf der Webseite vom Super 8 Motel nach freien Zimmern - da gab es für übermorgen welche für zwei Nächte. Preislich vollkommen ok, sogar ein paar Dollar günstiger als diese versiffte Bude hier. Ich rief Gerd an (nicht ohne vorher das Telefon mit dem Sagrotan zu behandeln) und wir trafen uns nochmal kurz und hielten Kriegsrat. Für morgen Abend war im Super 8 ja leider nichts buchbar, Gerd meinte aber, das kann an der Kurzfristigkeit liegen und wir würden morgen einfach fragen, ob wir schon morgen bleiben können. Ansonsten finden wir auch noch was anderes.

Wir haben also die Reservierung abgeschickt, nach der Buchungsaktion jammerte ich noch bissl im Discover America Forum über dieses Alptraum-Motel rum und knipste dann gegen 0.30 Uhr das Licht aus.

Die Karte wurde mit TopoUSA von www.delorme.com erstellt.

Gefahrene Meilen: 508

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